Die zwei Seiten der Medaille

Letzte Woche hab ich ein nettes Mail von einer angehenden Autorin bekommen. Sie schreibt derzeit an ihrem ersten Buch und wollte von mir wissen, ob ich ihr empfehlen würde, als Selfpublisherin zu veröffentlichen.

Nachdem ich heute diesen Beitrag hier gelesen habe, dachte ich, vielleicht interessiert das auch andere angehende Autoren – also hier meine Liste mit Vor- und Nachteilen:

#edit – mitterweile gibt es auch noch diese Seite hier: https://charlottecolewrites.com/ressourcen-fuer-autoren/

Vorteile:

  • Man kann schreiben, was man will, z.B. auch Bücher für sehr kleine Zielgruppen.
  • Man kann so lange schreiben, wie man will – es gibt keine Abliefertermine bei einem Verlag. Wenn man das Gefühl hat, dass das Buch noch nicht ausgereift ist … dann lässt man sich eben noch etwas mehr Zeit.
  • Man kann veröffentlichen, wann man will – z.B. alle paar Wochen, wenn man so schnell schreiben kann. Es gibt keine langen Vorlaufzeiten.
  • Man kann kurzfristig auf Trends reagieren.
  • Man kann Titel und Cover frei entscheiden. Man kann das Cover ändern, wenn man nicht mehr zufrieden ist.
  • Man behält sämtliche Einnahmen aus den Buchverkäufen.
  • Man erhält jedes Monat die Einnahmen aus den Buchverkäufen ausgeschüttet und muss nicht monatelang auf eine Abrechnung warten.
  • Man kann seine Werbelinie frei entwerfen, Aktionen planen, so viel Marketing machen, wie man eben möchte.
  • Die Rechte verbleiben beim Autor.

Nachteile:

  • Wenn man versuchen will, Bücher rauszubringen, die so ungefähr Verlagsqualität haben, dann ist das ziemlich teuer. Wie überall gilt auch hier, dass gute Leute (speziell Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Grafiker, Buchtrailer) sich ihre Arbeit auch entsprechend entlohnen lassen. Sprich: je mehr Wert man auf Qualität legt, desto mehr kostet es. Das Risiko dafür liegt bei einem selbst.
  • Mit den typischen Indie-Buchpreisen (99Cent!), ist es schwierig, die Gewinnzone zu erreichen.
  • Verlage haben (wenn sie denn wollen) deutlich mehr Marketingpower. Wenn man Pech hat, und das eigene Buch erscheint zeitgleich mit einer großangelegten Verlagswerbeaktion, dann ist es schwierig aufzufallen.
  • Es ist fast unmöglich, als Selfpublisher seine Bücher in Buchhandlungen zu platzieren.
  • Kein Verlagsvorschuß.
  • Die erfolgreichen Selfpublisherinnen haben ein wahnsinniges Arbeitspensum, viele veröffentlichen alle paar Wochen ein neues Buch. Da mitzuhalten ist nicht einfach, bzw. je nach Autor und Arbeitsweise auch nicht möglich.
  • Der Großteil der Selfpublisher bleibt erfolglos – nach Studien verdienen die meisten unter 500 Euro pro Jahr. Damit hätte man nicht einmal die Kosten fürs Lektorat abgedeckt.
  • Man darf nicht nur alle Entscheidungen selber treffen, man muss auch. Gerade beim ersten Buch ist die Lernkurve heftig.
  • Es ist oft nicht einfach, Antworten auf z.B. rechtliche Fragen zu finden… Medienanwälte kosten eine Lawine, und im Internet gibts zu jeder Frage zehn verschiedene Antworten.
  • Selbst-Marketing sollte einem liegen. Ohne geht es leider nicht! Geborene Selbstdarsteller sind hier klar im Vorteil.
  • Der Ton an den virtuellen Wasserstellen der Indies ist rau. Wenn man hier eine Frage in die Runde wirft, sollte man sich ein dickes Fell zulegen.

Sisyphos on Tour

Ich weiß nicht, wie sehr man das auch außerhalb der Selfpublisher-Szene mitbekommt, aber in den letzten Wochen gabs ein paar heiße Themen. Mit regelrechten Schlammschlachten und total unversöhnlichen Lagern.

1) Manche Autoren schreiben ab.
2) Amazon ist super/blöd
3) Lekorat ja/nein, Verlage sind böse/mein Traum

zu 1) Keine gute Idee. Allerdings sollte man sich mit Verdammungen vielleicht auch zurückhalten, wenn man die Hintergründe nicht kennt. So ein Leben bietet einen Menge Möglichkeiten, Fehler zu machen. Und fast jeder hat ein paar Sachen hinter sich, auf die er nicht stolz ist. Ich denke, jetzt über die betroffenen Autoren herzufallen, ist nicht unbedingt der beste Stil. Das wird vermutlich die Rechtsabteilung des betroffenen Verlages erledigen.  (Übringes frag ich mich, warum das ein Argument gegen Indies ist – wenn jemand

zu 2) ähm. ja. beides? Ich will einen Telefonjoker.

zu 3) wer da ein wenig nachlesen will, kann hier mal anfangen.

Wenn ich in meinem mittlerweile methusalemischen Alter von 35 eines gelernt habe, dann folgends: Lass die Leute reden. Mach dein Ding. Reg dich nicht auf, das kostet nur Energie und bringt nichts. Steck die Energie lieber in sinnvolle Dinge.

Was nicht heißt, dass es nicht Bereiche gibt, wo es durchaus angebracht ist, zu kämpfen. Aber Windmühlen sind wahrscheinlich der falsche Gegner.

Ich denke, dass meinen Büchern das Lektorat sehr gut tut. Ich sehe es auch als Investition in die Zukunft: Wenn meine Bücher so gut wie nur irgendwie möglich sind, dann kommen meine Leser (hoffentlich) beim nächsten Band wieder mit mir auf Kopfurlaub. Denn wer fährt schon mit jemandem auf Urlaub, dessen Gebrabbel keinen Sinn macht, und der Wörter falsch verwendet? (Außer, das passiert am Abend und es war Martini im Spiel.)

Ob andere Indie-Autoren das auch so sehen, ist mir irgendwie (positiv) egal. Es gibt solche und solche. Und ja klar, es gibt auch Bücher, die trotz Lektorat grauenhaft sind. Und Bücher, die ohne Lekorat sehr erfolgreich sind. Aber das heißt im Umkehrschluß für mich nicht, dass ich das Lektorat einfach sein lasse. Das Argument mancher Indies, dass die Leser nach einem schlechten Indie-Buch nie wieder zu anderen greifen … glaub ich nicht. Passiert ja bei Verlagsbüchern auch nicht. Nicht einmal bei Autoren, oder? Selbst wenn mir ein Buch mal nicht gefallen hat, kauf ich vielleicht trotzdem wieder eines von diesem Autor.

Und was diese Verlags-Sache angeht: Ich denke, das fast alle Indies einen Verlagsvertrag annehmen würden, wenn die Konditionen halbwegs passen. Auch wenn sie vorher behaupten, dass sie das niemals tun würden, weil Verlage moralisch eine Stufe unterhalb vom Herrn der Fliegen stehen. Klar verdient man als Indie pro Buch mehr, aber in den Buchhandlungen präsent zu sein, ist dafür auch wirklich schwierig. Und die eigene Marketing-Möglichkeiten sind auch deutlich geringer. Ist da vielleicht manchmal ein wenig Futterneid im Spiel? Oder gekränkter Stolz?

Ich verteile jetzt mal ein wenig Gelassenheit im Äther, vielleicht breitet er sich ja aus. Jeder soll die Bücher schreibe, die er will. Qualität setzt sich nicht immer durch- leider. Es gibt viele tolle Indie-Bücher … und auch sehr viele schlechte. Es gibt in den Verlagsprogrammen tolle Bücher und auch viel Schrott. Und sehr viele Gründe bei einem Verlag zu sein – oder eben auch nicht. Das alles sind persönliche Entscheidungen und Geschmackssache. Klar kann man über alles diskutieren, aber man muss dabei nicht unflätig werden.

Oder wie Hortensia sagen würde: Contenance.
Oder, ums mit der besten Band der Welt zu sagen:

 

Montagsfrage: Liest du auch Bücher, die nicht aktuell (also in den letzten Jahren erschienen) sind, aber nicht zu den Klassikern zählen?

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Na klar. Ich tu mir ein wenig schwer zu verstehen, warum so viele Menschen nur Neuerscheinungen lesen. Ist ja nicht so, als würden Geschichten irgendwie kaputt werden. Ich lese einfach, worauf ich gerade Lust hab bzw was gerade zu meiner Stimmung passt – egal ob neu oder schon älter, Indie, Paperback, E-Book, vom Flohmarkt, aus der Bücherei, englisch oder deutsch. No Fear! 😉

Montagsfrage: Erfahrungen mit Indie-Autoren?

Heute wieder mal die Montagsfrage von Buchfresserchen: Sind deine Erfahrungen mit Indie-Autoren/Selfpublishern eher positiv oder eher negativ?

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Ööhhhm. Räusper. Naja… Also Indie-Autoren sind generell unglaublich gutaussehend, sexy, faltenfrei und zuvorkommend. Dazu noch polyglott, emotional reif und vielseitig gebildet. Und bescheiden! Unglaublich bescheiden.

Im Ernst: Die Frage fühlt sich für mich ein wenig schizophren an 😉 … Meine Erfahrungen mit Indieautoren sind natürlich irgendwie „gefiltert“, weil ich ja selbst (in Kürze) eine bin.

Indie-Autoren kenne ich hauptsächlich aus Facebook-Gruppen und dergleichen. Und da ist es wie überall im Leben: Es gibt total nette und auch ein paar … mit – sagen wir – menschlichem Entwicklungspotential. Viele helfen einander weiter und sind echt bemüht, aber es gibt schon auch eine Menge Futterneid.

Ein bissl mühsam finde ich die endlose Diskussionen, ob man seine Texte vor der Veröffentlichung lektorieren/korrigieren lassen sollte … ob nur Kleingeister Wert auf Interpunktion und Orthographie legen, und obs Indies generell schwerer haben, weil die Maßstäbe viel strenger sind („… in den Veragsbüchern gibts auch Fehler! Da darf ich auch! Das ist gemein!“). Oder auch diese Künstler-Attitüde á la „Mein Genie ist unverstanden …“. Wenn man Unterhaltungsliteratur schreibt, dann sollte die schon auch verständlich sein, denke ich. Ansonsten leidet möglicherweise der Unterhaltungswert. Gibts übrigens bei den Fotografen auch… da ist es dann die Technik, mit der man sich nicht auseinandersetzen muss, weil man ja so ein wahnsinniges Ausnahmetalent ist, für das solche Lächerlichkeiten wie optische Gesetze keine Gültigkeit haben.

Generell kann ja jeder entscheiden, was er veröffentlicht. Und ich finde es großartig, dass es diese Möglichkeit gibt! Ich gehöre zu den eher ungeduldigen Leuten, und die Vorstellung mir jetzt einen Agenten und dann noch einen Verlag suchen zu müssen … Puh!

Aber da ich schon ziemlich lange als Fotografin selbstständig bin, kann ich aus Erfahrung sagen: schlußendlich setzt sich auch im Kreativbereich nur Qualität durch. Und Talent alleine reicht leider nicht … Meist steckt auch hinter „plötzlichen“ Erfolgen viel Arbeit. Und diejenigen, die ohne jede Ausbildung ein „One-Hit-Wonder“ landen, setzten sich meist nicht durch. Ich sehe es so: Wenn man Geld für seine Arbeit verlangt, dann sollte man die bestmögliche Leistung dafür bieten.

Es hat wenig Sinn, seine eigenen Arbeiten mit Verlagsbüchern zu vergleichen, wenn man nicht auch bereit ist, die entsprechende Arbeit reinzustecken. Für einen Indie-Autor bedeutet das im Normalfall, dass er zumindest 1.000 Euro in ein Buch (Lektorat, Cover, Satz) investiert, bevor er es rausbringen kann … wahrscheinlich eher in Richtung 2.000, weil ja auch Online-Werbung, Gewinnspielpreise, Website und dergleichen bezahlt werden wollen. Dass ist eine Menge Geld, da könnte man auch auf Urlaub fahren.  😉

Dass viele sensibel auf Kritik reagieren, wenn sie monate- oder jahrelang an ihrem Baby gearbeitet haben, versteh ich auch. Ich hab mir schon mal einen Schokolade- und Taschentüchervorrat angelegt, wenns bei mir soweit sein wird 😉 Als Kreative(r) ist das oft hart: Da arbeitet man lange an etwas und investiert viel Herzblut… Kritik am Werk ist dann oft auch Kritik an einem selber, einfach weils ja aus einem heraus „geboren“ wurde. Das sachlich zu sehen ist oft schwer, da hilft manchmal nur zeitlicher Abstand.