Heute bin ich über diesen Artikel hier gestolpert: https://theconversation.com/the-man-with-no-plot-how-i-watched-lee-child-write-a-jack-reacher-novel-51220
Ich hab eine Schwäche für Bücher über den Schreibprozess anderer Autoren. Irgendwie ist es Balsam für die kreative Seele, dass auch die Großen mit denselben Problemen kämpfen.
So too Lee Child. He wandered around New York, then drifted off to the West Coast, then Madrid, then Sussex, and still had no idea what the hell was going on in his book. If it was a book. Around Christmas time I spoke to him on the phone and he said: “Maybe it’ll make a good short story.” And added: “Maybe I should go back and work in television. I hear it’s improved a lot since my day.” And tossed in stray remarks like: “I guess I’m all out of gas.”
Der Artikel hat mich daran erinnert, dass ich das Buch dazu vor längerem mal gelesen und dann empfohlen hab. Ein Autor beobachtet einen anderen Autor beim Schreiben und schreibt darüber. Mehr Meta geht nicht!

Lee Child, der Autor der Jack-Reacher-Serie, fällt in die Kategorie der Pantser – diejenigen AutorInnen, die sich einfach auf ihren Hosenboden (aka the pants) setzen und zu schreiben beginnen, ohne zu wissen, wo die Geschichte sie hinführen wird. Stephen King gehört dazu. Der andere Zugang wäre der der Planner, zu denen JK Rowling oder auch yours truly zählen. AutorInnen, die ihre Bücher über lange Zeit im Kopf entwickeln und planen … und das Ende kennen, bevor sie mit dem Schreiben beginnen. Die ganze Buchserien fertig im Kopf haben, und schon viele Bücher weit in die Zukunft denken, die Handlungsstränge langfristig planen.
Ich frage mich seit Längerem, ob diese unterschiedlichen Zugänge Bücher verändern. Geschichten sind lebendige Wesen, die sich ihre Autoren aussuchen – nicht umgekehrt. Geschichten fließen, wenn man als Autor sein Ego zurücknimmt und ihrem Weg folgt, ihnen nichts aufzwingt, sondern sie einfach so sein lässt, wie sie sein wollen – aus sich heraus. Man merkt die Absicht und ist verstimmt, trifft auch auf Bücher zu – wenn der Autor seine eigene Meinung mit erhobenem Zeigefinger vertritt oder unbedingt eine Moral in die Geschichte verpacken will, dann liest sich das üblicherweise anstrengend. (Wer mehr über das Wesen der Geschichten lesen möchte: Big Magic von Elizabeth Gilbert bietet faszinierende Denkansätze.)
Bisher hatte ich alle meine Bücher im Kopf fertig, bevor ich die ersten Wörter getippt habe. Manche haben jahrelange Denkarbeit erfordert, manche waren in ein paar Wochen fertig. Bei jedem hab ich so lange darüber nachgedacht, Dinge im Kopf ausprobiert, recherchiert und Freunde mit Plotlines genervt, bis alles auf unerklärliche Weise eingerastet ist: Die Geschichte macht klick, und dann ist da dieses Gefühl, dass alles richtig ist. Einfach so. Aber alle, aber wirklich alle Geschichten, haben mich dann beim Schreiben überrascht und sich noch verändert.
Vielleicht ist die Methode der Pantser die direktere, ehrlichere – wo Geschichten sich selbst entwickeln, ihren Raum bekommen, wo der Autor blind folgt und darauf vertraut, dass die Geschichte selbst am besten weiß, wer sie sein will. Allerdings merkt man auch, dass diese Methode nur bei wirklich großartigen Autoren funktioniert: oft sind solche (nicht geplanten) Bücher verworren, Handlungsstränge enden im Nichts, Figuren verschwinden ohne Erklärung, das Ende ist abrupt, die Auflösung deus ex machina.
Versuch macht kluch: Neben der Überarbeitung meiner Drachen und der ersten Fassung von FM5 arbeite ich derzeit auch an einer Novelle, die in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung ist. Sie ist mein erstes Buch auf Englisch, und ich hab sie zu schreiben begonnen, ohne eine Ahnung zu haben, wo es hingeht. Mal sehen, wie das funktionieren wird. Kann sein, dass ich für die Rundablage schreibe und um das Wissen reicher bin, dass pantsen für mich nicht funktioniert … oder ich bin am Ende glücklich, zufrieden und sehr erstaunt. 😉