Montagsfrage: Ende? Ohne mich.

Guten Morgen, meine Lieben. Heute will das Buchfresserchen von uns wissen, was uns dazu bringt, ein Buch abzubrechen?

Da gibts eine Menge. Was mich unter Garantie dazu bringt, ein Buch nach wenigen Seiten zu beenden, sind Geschichten im Präsens. Ich weiß, das ist modern, das machen jetzt viel so … aber ich mag das einfach nicht. Die Vergangenheit ist doch die natürliche Form einer Geschichte … denn entweder erzählt eine Heldin aus ihrem Leben, oder ein Erzähler berichtet über Vergangenes.

Also was soll das mit dieser Gegenwart? Murmelt der Held vor sich hin? Kommentiert da die Heldin sämtliche Ereignisse im Kopf für einen imaginären Freund (aka »den Leser«) mit? Wer denkt denn schon Sachen wie »Meine Chefin wirft mir einen scharfen Blick unter ihren zu dünnen Linien gezupften Augenbrauen zu und streicht ihr altrosa Chanelkostüm zurecht, das bestimmt mehr gekostet hat, als ich im Monat verdiene. Sie spitzt ihre Lippen, die sich dank der letzten Botoxbehandlung zu einem faltenfreien knallroten Kreis formen. Mir ist klar, was jetzt kommt: Sie will ihren Kaffee. Natürlich nur Kopi Luwak, der teuerste Kaffee am Markt. Jede einzelne Bohne ist durch den Darm von irgendwelchen komischen Katzen gewandert. Alleine der Gedanke daran, was da mit den Kaffeebohnen alles mitgemahlen wurde, bereitet mir Übelkeit. Aber ich serviere ihr die Brühe natürlich trotzdem. Ohne Zucker, aber mit einem eisernen Lächeln. Denn ich brauche diesen Job. Ich muss immerhin meine sieben kleinen Geschwister ernähren, seit mein Vater uns verlassen hat, und meine Mutter von Aliens entführt wurde.«
Das lässt mich so sehr an der Zurechnungsfähigkeit der Heldin/des Helden zweifeln, dass ich nicht weiterlese. Oder zumindest sehr, sehr viele andere Gründe finden muss, es trotzdem zu tun.

Was noch? Bei zu grausamen Szenen höre ich oftmals auf oder blättere zumindest weiter. Ja, ich bin eine Fiffi, sowas halte ich schlecht aus. Gewalt gegen Kinder geht auch gar nicht.

Wenn ich das Gefühl habe, dass die Geschichte eine Art literarischer Selbstbeweihräucherung des Autors ist, bin ich auch raus. Simplicity is the ultimate sophistication, sagte daVinci oder irgendein anderer kluger Kopf. Literatur kann für mich wortgewaltig, komplex und bildschwanger sein, aber sie sollte nicht versuchen durch künstliche Verklausuliertheit eine Trennung zwischen sich und der Welt herbeizuführen. Denk ich halt. 😉

Ansonsten treiben mich unlogische Dinge in den Wahnsinn: Infos, die eine Protagonistin gar nicht haben kann, aber trotzdem irgendwie plötzlich weiß. Tiere, die sich wie Menschen verhalten. Kinder, die wie Erwachsene sprechen. Dümmliche Heldinnen, die eigentlich eher ein Pflegefall, als eine erwachsene Person sind… und die jetzt echt mal schön langsam mitkriegen könnte, was man als Leserin schon vor hundert Seiten verstanden hat.

Mißverständnisse, die im normalen Leben in zwei Sätzen zu beheben wären. Mal ehrlich – wie soll eine Beziehung funktionieren, wenn der Held und die Heldin schon von Anfang an keine Gesprächsbasis haben?

Heldinnen, die nicht nur schön, klug, unschuldig, herzensgut, jung UND supersexy sind, sondern das auch selbst gar nicht wissen … und die damit irgendwo ohne Spiegel aufgewachsen sind, nehme ich mal an.

Helden, die null Selbstbeherrschung haben. Damit meine ich nicht, dass sich die Heldin vielleicht manchmal einfach nicht beherrschen will, und dem Helden die Kleider vom Leib reißt. Aber sie sollte es schon können – und sich nicht in eine geistige Amöbe verwandeln, nur weil Mann halt gut aussieht.

Ebenfalls nervig: total unrealistische Plotideen: Ein jahrtausendealter, gebildeter und mächtiger Vampir verliebt sich in eine Sechzehnjährige? Und sie ist seine große Liebe? Err… Die meisten von uns haben doch schon Probleme sich vorzustellen, dass ein fünfzigjähriger Mann sich tatsächlich in eine Sechzehnjährige verliebt und diese Beziehung Bestand hat, oder? Warum geht das dann plötzlich bei einem um so viel älteren Vampir? Die beiden wären doch innerhalb von wenigen Monaten in Beziehungstherapie. Oder die Heldin Futter. 😉

Auch nicht gut: Plötzliche unmotivierte Entwicklungssprünge, die den Charakter des Helden komplett verändern … z.B. Helden, die das ganze Buch über kaum 5 Worte sagen, und dann am Ende eine seitenlange, schmalzige Liebeserklärung abgeben. Verhalten, das mir der Autor/die Autorin als romantisch verkaufen will, mich aber eher an einen Stalker  erinnert.

Am schlimmsten aber sind Buchhelden, die die Heldin ständig wie Dreck behandeln, weil sie selbst einfach so sehr verletzt wurden, total arm sind, nicht anders können – und durch die bedingungslose Liebe der Buchheldin »geheilt« werden. Sowas funktioniert im echten Leben nicht, und ich finde das als Rolemodel sehr bedenklich.

Ein Held kann natürlich seine Schatten mit sich rumschleppen. Und er kann auch eher wortkarg, abweisend und unfreundlich sein. Aber es gibt eine Grenze zu emotionalem Missbrauch – und wenn ich für die Heldin hoffen soll, dass der Held eines Tages der ihre ist … dann sollte der Held diese Grenze tunlichst nicht überschreiten. Ich würde einer Freundin ja auch nicht raten, sich in eine Beziehung mit einem Mann zu stürzen, der sie verbal, emotional oder körperlich misshandelt. Selbst wenn er ein Sexgott ist und aussieht wie ein Unterwäschemodel. 😉

11 Gedanken zu “Montagsfrage: Ende? Ohne mich.

  1. Hallo, Charlotte!
    Bester.Beitrag.Ever. Ich hab mich gerade sehr gekringelt vor lachen, was im Büro nicht die beste Idee ist.
    Und ich stimme dir in allen Punkten zu. Immer dieses Präsens. (Der Präsens?) An manchen Punkten hab ich mich daran jetzt schon gewöhnt, aber ich stolpere immer noch darüber. Ich würde mich aber sehr für diese Geschichte interessieren. 😀
    LG, m
    Übrigens Danke für das Wort Verklausuliertheit. 😉

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    • Die sieben Geschwister werden als Häkel-Ausnahmetalente erkannt, gehen mit Speed-Häkeling auf Welttournee und begeistern tausende kreischende Fans in ausverkauften Stadien. Markerschütternde Sprechchöre mit der unersättlichen Forderung nach immer mehr und mehr Bommeln begleiten sie auf ihrem Weg.

      Die Erzählerin entdeckt ihre Vorliebe für dominante Frauen und lässt sich von ihrer Chefin ab sofort zum beiderseitigen Vergnügen mit Kaffeebohnen bewerfen. Um die sieben Geschwister zu unterstützen, betreuen die beiden in Heimarbeit einen Online-Shop, wo Selbstgehäkeltes der Geschwister gegen einen kleinen Unkostenbeitrag von mehreren hundert Euro (Wolle ist heutzutage furchtbar teuer) erworben werden kann. Als Maskottchen lebt nun der häkelmützentragende Pinguin Bertram bei ihnen. Leider verkraftet Bertram seinen kometenhaften Aufstieg zum Celebrity-Pinguin nicht gut, und entwickelt eine akute Eiskaffeesucht. Aber das ist wieder eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. 😉

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  2. Geschichten in Präsens sind auch nicht so meins, ganz schwer tue ich manchmal auch mit Geschichten in der „Ich“ Form. Da muss ich mich manchmal zu überwinden. Schrecklich finde ich auch, wenn der Autor zu detailverliebt ist und gewisse Sachen über Seiten erklärt bzw. beschreibt.
    Was mich aber wirklich ganz oft vom Lesen abhält bzw. abbrechen bewegt ist, wenn das Buch einfach total langweilig ist und der Autor nicht zu Potte kommt. Jedes Buch bekommt seine Chance, wenn es mich nach 100 Seiten nicht hat, dann kommt es weg. Da bin ich rigeros, sorry.
    Lg
    Katja

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    • Ich seh das auch so wie Du – wenn mich das Buch nicht packt, dann beende ich es relativ schnell wieder. Früher war ich da anders, aber mittlerweile ist meine Lesezeit so kostbar, dass ich sie gut nutzen willl. Und es gibt ja unzählige großartige Bücher da draußen!

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  3. Huhu,

    ein paar Punkte stören mich zwar auch, aber abbrechen tu ich deswegen nicht. Aber die dümmlichen Heldinnen zum Beispiel nerven mich auch immer.

    Auch die Missverständnisse, die du ansprichst nerven mich tierisch. Gerade weil sie eben in zwei Sätzen zu regeln wären, aber da immer totales Drama raus gemacht wird.

    Was ich ja überhaupt nicht gut find sind, Jungs, die in ihrem Wesen total gut sind, aber durch Kontrolle oder sowas plötzlich böse werden und die unlogischsten Sachen machen. Um Beispiele zu nennen (Panem, Vampire Academy, Die Bestimmung …) Vielleicht kennst du/ ihr ja die ein oder andere Szene, die ich meine. Ich hasse sowas. Wieso können gute nicht mal einfach gut bleiben?

    LG Corly

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  4. Wo soll ich nur anfangen?

    „literarischer Selbstbeweihräucherung“ – ich mag es auch nicht, wenn ein Autor stetig zeigt, wie toll er schreiben kann oder extrem philosophisch wird, ohne, dass es in den Kontext passt.

    Missverständnisse: In Liebesgeschichten frage ich mich oft, ob man nicht einfach mal redet. Wie geht es dir, wie geht es mir, finden wir einen Kompromiss. Manchmalt tut es weh, wie lange Figuren auf dem Schlauch stehen… und wieviele Seiten man damit einsparen könnte.

    Es gibt aber tatsächlich schöne, kluge Frauen, denen das nicht bewusst ist. Oder die lieber ihre Fehler sehen….

    Mit dem Präsens habe ich kein Problem. ich denke, wir sind es gewohnt, dass im Präteritum geschrieben wird. Und bei Szenen, die sehr direkt wirken, finde ich das gut. Liebesszenen und/oder Kurzgeschichten. Wir sollten nicht so streng sein. Meistens fällt mir ohnehin nach wenigen Seiten nichtmehr auf, welche Zeitform es ist.

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