Agnes Miegel hab ich per Zufall gefunden: Ihre Vorfahren wohnten eine Zeit lang in dem Haus, das Jahrzehnte später zu der Pension werden sollte, in der ich als Kind meine Skiurlaube verbracht habe. Am Stiegenabgang hing, ziemlich verstaubt, dieses Gedicht. Eine schlechte Vergrößerung aus einem Buch, nicht mal mittig im Rahmen. Und trotzdem hab ich mich als Volksschülerin schnell und heftig in das Gedicht verliebt. Wie bei allen großen Lieben, natürlich ohne zu wissen, warum.
An dieser Bucht hab ich als Kind gespielt,
Der Sand war sonndurchglüht und weich und warm.
Geborgen wie in einer Greisin Arm
Lag ich am Hang der Düne.
Drunten hielt
Schnaubend der Brandung schäumendes Gespann.
Auf flockig weiße Mähnen schien das Licht.
Und manchmal sahn, mit triefendem Gesicht
Grünäugig mich des Meeres Töchter an,
Und warfen Muscheln an den Strand und Tang
Und ducken jäh mit schrillem Möwengeschrei.
Der feuchte Seewind strich an mir vorbei.
Ich aber lag geborgen an dem Hang
Der weißen Düne. In den Sand gekrallt
So wie ein Kätzchen liegt im warmen Schoß.
Und wohlig blinzelnd und gedankenlos
Spürt ich, sie wacht, –
Heilig, vertraut, uralt.